Terrestrische Gravimetrie

Hintergrund

Nach dem Newtonschen Gravitationsgesetz ist die Schwerebeschleunigung (oder kurz Schwere) einer Testmasse proportional zur Erdmasse und zum reziproken Abstandsquadrat der beiden Massen. Der bekannte Betrag der Schwere von 9,8 m/s² ist nur theoretisch konstant auf der Oberfläche unserer Erde unter der Annahme einer homogenen Kugel. In Wirklichkeit variiert die Schwere einerseits räumlich von Punkt zu Punkt, aber auch zeitlich, allerdings erst ab der 6. Nachkommastelle. Die Gravimetrie ist die Messung der Schwere, die mit Gravimetern erfolgt. Finden diese Messungen an erdgebundenen Orten statt, so spricht man von terrestrischer Gravimetrie. 

Auf dem Telegrafenberg in Potsdam hat die terrestrische Gravimetrie eine lange Tradition. Hier gelang vor über 100 Jahren mit Hilfe von Pendelmessungen eine sehr genaue Bestimmung des Absolutwertes der Schwere von 9,81274 m/s². Ein Messpfeiler des Geodätischen Instituts wurde daraufhin Welt‐Schwerebezugspunkt und realisierte bis 1971 das „Potsdamer Schweresystem“ als Welt‐Bezugssystem. Heutzutage werden am GFZ Supraleitgravimeter eingesetzt, um die zeitlichen Variationen der Schwere an einem Ort kontinuierlich, langzeitstabil und mit höchster Präzision von 1 nm/s² (10-9 m/s²) und besser zu vermessen. Diese punktförmigen Messungen werden ergänzt durch transportable Federgravimeter, mit denen der Übergang auf räumlich-zeitliche Variationen gelingt.

Supraleitgravimeter werden für viele geophysikalische und hydrologische Zwecke verwendet. Die gesuchten Signale können auf lokalen bis zu globalen Skalen auftreten, in Zeitbereichen von Sekunden bis zu Dekaden liegen und von periodischer oder breitbandiger Natur sein. Die nicht triviale Aufgabe besteht an jedem Standort darin, aus diesem einen Messwert pro Zeitpunkt für die Gesamtheit aller Schwerevariationen hervorgerufen durch Massenvariationen und Deformationen im System Erde, der Erdrotation und der Massen von Sonne und Mond, das gewünschte Zielsignal zu separieren. 

Zu den aktuellen Themen am GFZ im Zusammenhang mit der terrestrischen Gravimetrie gehören die Beobachtung von Schwereänderungen durch atmosphärische, ozeanische und hydrologische Massenumverteilungen und Wechselwirkungen mit der festen Erde durch Auflasteffekte sowie die Validation und Kombination von Satellitendaten aus GRACE, GRACE-FO und Nachfolgemissionen mit terrestrischen Daten. Gegenwärtig sind die Daten von weltweit 68 Sensoren auf 48 Stationen im Rahmen des IAG-Services International Geodynamics and Earth Tide Service (IGETS) integriert. Das GFZ betreibt die IGETS-Datenbank und stellt die Daten seiner drei Supraleitgravimeter zur Verfügung. 

Die gegenwärtigen Standorte der Supraleitgravimeter stellen Hot Spots in Deutschland dar. Auf der Zugspitze geht es um die Quantifizierung des alpinen Wasserhaushalts und dessen klimabedingte Veränderungen. Auf Helgoland werden gezeitenbedingte und nicht-gezeitenbedingte Meeresspiegelvariationen und deren Wechselwirkungen mit der festen Erde thematisiert, die sich ebenfalls im Klimawandel ändern. Das Supraleitgravimeter aus Sutherland, Südafrika, wird zurzeit in die Vulkaneifel am Laacher See umgesetzt, in der sich aktive seismische Signale mit starken lokalen Deformationen zeigen.

Wissenschaftliche Schlüsselfragen

  • Inwieweit kann die terrestrische Gravimetrie in Kombination mit anderen Beobachtungstechniken zu einem verbesserten geophysikalischen oder hydrologischen Prozessverständnis beitragen?
  • Wie gut stimmen die Modelle für atmosphärische, ozeanische und hydrologische Massenumverteilungen mit den hochgenauen gravimetrischen Beobachtungen überein?
  • Wie gelingt der Übergang von der punktförmigen terrestrischen Gravimetrie zu regional repräsentativen Beobachtungen, um die Lücke zur Satellitengravimetrie zu reduzieren? 

Zugehörige Projekte

  • Gravimetrie in der Alpinen Hydrologie | G-MONARCH
  • TerraQ – Sonderforschungsbereich für Relativistische und Quantenbasierte Geodäsie
  • Central European Volcanic Province Observatory | CVO 
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