Deutschlandkarte Erdbebengefährdung
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Erdbebengefährdung mit Hilfe der Filter darstellen lassen

Deutschland hat seit 2018 ein neues Kartenwerk zur Erdbebengefährdung. Obwohl die Gefährdung durch Erdbeben in Deutschland relativ gering ist, ist sie keinesfalls vernachlässigbar. Bedeutende Schadenbeben mit Magnituden größer 6 sind innerhalb Deutschlands sowie in unmittelbarer Nachbarschaft immer wieder aufgetreten. Bereits 1981 wurde die erste Erdbeben-Baunorm bauaufsichtlich eingeführt.
Das hier vorliegende Kartenwerk ersetzte die Ende der 1990er Jahre konzipierte und bis 2018 gültige Erdbebenzonierung. Die vorgelegten Karten zeigen, welche Bodenerschütterungen für verschiedene Schwingungsperioden in Deutschland für vorgegebene Wahrscheinlichkeiten zu erwarten sind. Die Zonierung weist anhand eines wesentlich verbesserten Gefährdungsmodells und aktualisierter Datenbestände mit umfassender Einbeziehung aller zu berücksichtigender Unsicherheiten solide und robuste Berechnungen auf.
Die wichtigste Eingangsgröße dabei ist die Erdbebentätigkeit der letzten ca. 1000 Jahre auf dem Gebiet der heutigen Bundesrepublik samt einer Umgebung von mindestens 300 Kilometern. Zur Erarbeitung dieser Datenbasis gehörte das akribische Studium der Quellen vieler dieser historischen Beben. Dabei zeigte sich, dass in frühere Gefährdungsberechnungen 'Fake Beben' eingegangen waren: Naturereignisse wie Stürme, plötzliche Bodensenkungen oder Nachrichten entfernter starker Erdbeben, die fälschlicherweise als lokale Erdbeben überliefert wurden.
Die Gefährdungskarten wurden am Deutschen GeoForschungsZentrum im Auftrag des Deutschen Instituts für Bautechnik und in enger Abstimmung mit Mitgliedern des entsprechenden DIN-Normenausschusses berechnet. Hauptautor ist Gottfried Grünthal vom GFZ. Die Karten sind Bestandteil des Nationalen Anhangs (NA) der neuen DIN-Norm DIN EN 1998-1/NA. Die Bauleitung muss darauf achten, ihre Gebäude entsprechend den darin beschriebenen Lastannahmen erdbebengerecht auszulegen.
In der Praxis heißt dies, dass die Erdbebenlastannahmen in Form berechneter Bodenbeschleunigungen oberhalb eines Schwellwertes mit einer Überschreitenswahrscheinlichkeit von 10 Prozent innerhalb einer angenommenen Standzeit von 50 Jahren dem Konstruktionsentwurf zugrunde zu legen sind. „Weniger sperrig als die Angabe der Überschreitenswahrscheinlichkeit in Prozent innerhalb einer Standzeit ist die Angabe mittlerer Wiederholungsperioden erwarteter Bodenerschütterungen. Diese folgen aus den Gesetzen der Statistik. So ergibt die oben genannte Überschreitenswahrscheinlichkeit eine Wiederholungsperiode von 475 Jahren.“, berichtet der Initiator und Projektleiter der Neueinschätzung, Gottfried Grünthal vom GFZ. Soll die Sicherheit erhöht werden, also die Überschreitenswahrscheinlichkeit geringer sein, werden Karten für höhere Wiederholungsperioden berechnet: so für 975 Jahre und 2475 Jahre. Diesen entsprechen, auf die Standzeit von fünfzig Jahren bezogen, Wahrscheinlichkeiten von 5 oder nur mehr 2 Prozent für das Überschreiten der zugehörigen Bodenerschütterungen.
Neben den in Deutschland und den Nachbargebieten immer wieder auftretenden signifikanten natürlichen, tektonischen Erdbeben werden zudem seismische Ereignisse infolge menschlicher Aktivitäten im Untergrund beobachtet. Auslöser hierfür sind Kohle-, Erz- oder Salzbergbau, Öl- und Gasförderung oder auch Geothermiebohrungen. „Das Auftreten dieser induzierten seismischen Ereignisse ist stark zeitabhängig“, erläutert Grünthal, „Sie verringern sich, können mit dem Abschluss der menschlichen Aktivitäten im Untergrund enden oder werden durch technische Verbesserungen in ihrer Intensität vermindert.“ Das ist einer der Gründe, weshalb die induzierten seismischen Ereignisse nicht in die Berechnungen eingingen.
Grünthal und Kolleg:innen haben in mühevoller Kleinarbeit im Vorfeld des Projektes nicht nur historische Bebenaufzeichnungen ausgewertet, um die Seismizitätsdatenbasis der letzten 1000 Jahre zu verbessern. Er fügt hinzu: „Wir haben in unseren Berechnungen insbesondere die Unsicherheiten in Modellen und Parametern erstmals derart umfänglich im Rahmen einer regionalen Studie einfließen lassen.“ Hinter dem neuen Kartenwerk stecken eine jahrelange Puzzlearbeit mit Quellenstudium, modernste statistische Methoden und Auswerteverfahren von Datenbanken zu Starkbebenaufzeichnungen sowie eine enge Kooperation mit dem Bauingenieurwesen. „Wir haben jetzt noch verlässlichere Gefahreneinschätzungen als bisher, die in deutsche und europäische Baunormen eingehen werden“, sagt Fabrice Cotton.
Originalstudie: Grünthal, G., Stromeyer, D., Bosse, C., Cotton, F., Bindi, D., 2018. The probabilistic seismic hazard assessment of Germany—version 2016, considering the range of epistemic uncertainties and aleatory variability. Bulletin of Earthquake Engineering. DOI: 10.1007/s10518-018-0315-y