Prof. Yuri Shprits plädiert in „Nature Physics“ für eine stärkere Koordinierung zwischen den Weltraumagenturen in Europa und innerhalb des Forschenden zur Physik unseres Sonnensystems inklusive der Magneto- und Ionosphären der Erde und anderer Planeten.
Einzelne Weltraumagenturen vieler Staaten investieren einen erheblichen Teil ihrer Budgets in die Erforschung des Sonnensystems und der Prozesse innerhalb des Sonnensystems, einschließlich der Magnetosphären und Ionosphären der Erde und anderer Planetensysteme. Dieser Bereich ist unter dem Begriff „Heliophysik“ bekannt geworden. Er ist nicht nur für die Grundlagenforschung wichtig, sondern auch für den Schutz kritischer Infrastrukturen im Weltraum und auf der Erde, da der stark schwankende Strom von Sonnenpartikeln Satelliten, globale Navigationssysteme, Stromnetze und andere Infrastrukturen beeinträchtigen oder sogar zerstören kann. Sonnenstürme können sogar das Leben von Menschen im All bedrohen.
Allerdings trennen Staatsgrenzen, unterschiedliche nationale Förderprogramme und institutionelle Abschottungen Forschende aus verschiedenen Ländern und sogar aus verschiedenen Teilbereichen der Forschung zur Physik unseres Sonnensystems. „Dabei befasst sich die Heliophysik mit gesellschaftlich hoch relevanten Fragen, darunter auch Fortschritte bei Weltraumwetteranwendungen“, schreibt Yuri Shprits, Leiter der Sektion „Weltraumphysik und Weltraumwetter“ am GFZ Helmholtz-Zentrum für Geoforschung, in einem Meinungsbeitrag in der Fachzeitschrift „Nature Physics“.
Er sieht die Verbesserung der Kommunikation und Koordination zwischen laufenden und geplanten Missionen in Europa und weltweit als eine zentrale Herausforderung für die Heliophysik-Gemeinschaft.
„Wir brauchen dringend einen intensiveren Dialog innerhalb der Heliophysik zwischen Forschungsgruppen, die sich mit der Ionosphäre, der Magnetosphäre, dem Sonnenwind und der Sonne befassen“, sagt Yuri Shprits. Zwar gebe es einige positive Beispiele, z. B. zwischen der Europäischen Weltraumorganisation (ESA) und der National Aeronautics and Space Administration (NASA) zur Erforschung des Saturns mit Cassini-Huygens, doch seien diese nicht die Regel. „Gemeinsame Ausschreibungen für Missionen, wie beispielsweise für die bevorstehende SMILE-Mission (Solar wind Magnetosphere Ionosphere Link Explorer) – ein gemeinsames Projekt der ESA und der Chinesischen Akademie der Wissenschaften (CAS) – sind selten“, schreibt Shprits.
Um diese Situation zu verbessern, schlägt Shprits die Bildung einer europäischen Heliophysik-Gemeinschaft vor, die sich auf das Verständnis der erdnahen Weltraumumgebung konzentriert. Ein wichtiger Aspekt dieser Gemeinschaft wäre die Erleichterung einer koordinierten Missionsplanung und wissenschaftlichen Erforschung des Systems Sonne-Sonnenwind-Magnetosphäre-Ionosphäre. Dies sollte zwischen den Weltraumagenturen der europäischen Länder geschehen. „Die Agenturen sollten ein Budget für die Zusammenarbeit bereitstellen, damit sie Beiträge zu Missionen leisten können, die von anderen Weltraumagenturen geleitet werden“, argumentiert Yuri Shprits. Er fügt hinzu: „Es sollte auch spezielle Ausschreibungen für Kooperationsmissionen geben, die von verschiedenen Weltraumagenturen gemeinsam geprüft werden.“
Eine starke europäische Heliophysik-Gruppe, idealerweise innerhalb eines rechtlichen Rahmens wie einer internationalen gemeinnützigen Organisation, könnte Forschende zusammenbringen. Sie könnten sich regelmäßig treffen, Nachwuchsforschende unterstützen und dazu beitragen, die Verfügbarkeit von Missionsdaten durch einheitliche Metadatenstandards und Codes in der Heliophysik zu verbessern.
Originalpublikation: Shprits, Y.Y. We need to talk about heliophysics. Nat. Phys. (2025). https://doi.org/10.1038/s41567-025-02851-7