30 Mio. Euro für neuartiges Monitoring der Weltmeere mit Telekommunikationskabeln

Kick-off für den Aufbau der Helmholtz-Forschungsinfrastruktur SAFAtor: Einzigartige Echtzeitdaten vom Boden der Tiefsee zur Analyse von Klima und Geogefahren.

Zusammenfassung

Das weltweite Netz an Telekommunikationskabeln, die auf dem Grund der Weltmeere liegen, bietet einzigartige Potenziale für die wissenschaftliche Nutzung, wenn die Glasfaserkabel selbst als Sensoren genutzt oder mit Sensoren ausgestattet werden. Mit SAFAtor (SMART Cables And Fiber-optic Sensing Amphibious Demonstrator) bauen jetzt das GFZ Helmholtz-Zentrum für Geoforschung in Potsdam und das GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel eine darauf basierende Forschungsinfrastruktur auf, die für das Monitoring der Weltozeane eingesetzt werden kann. Sie wird in das Portfolio der großen Helmholtz-Infrastrukturen aufgenommen und mit 30 Millionen Euro durch die Helmholtz-Gemeinschaft als strategische Ausbauinvestition gefördert. 

Geplant ist u.a., ein Demonstrator-Kabel vor dem Einsatz in der Tiefsee mit entsprechender Sensortechnologie auszustatten, um wichtige Echtzeitdaten zu Klima und Geogefahren zu gewinnen. Bislang gibt es fast keine Daten vom Meeresgrund. SAFAtor soll diese Datenlücke in den Ozeanen schließen. Die Projektleitung (PI) hat der GFZ-Wissenschaftler Prof. Dr. Fabrice Cotton, Leiter der GFZ-Sektion „Erdbebengefährdung und Dynamische Risiken“. Co-PI’s vom GFZ sind Prof. Dr. Charlotte Krawczyk, Direktorin des GFZ-Departments „Geophysik“, die die Leitung nach zweieinhalb Jahren turnusgemäß übernehmen wird, und Prof. Dr. Frederik Tilmann, Leiter der GFZ-Sektion „Seismologie“, sowie Prof. Dr. Laura Wallace, Leiterin der Forschungseinheit „Marine Geodynamik“ am GEOMAR. SAFAtor hat eine Laufzeit von fünf Jahren und startet am 5./6. März 2025 mit einem Kick-off-Meeting am GFZ auf dem Potsdamer Telegrafenberg. 

Schließung der Ozeandatenlücke

70% unseres Planeten sind von Ozeanen bedeckt. Im Vergleich zu den Kontinenten können dort nur wenige wissenschaftliche Daten gewonnen werden, da insbesondere der Ozeanboden schwer zugänglich und daher nur unzureichend mit Messstationen ausgestattet ist. „Es besteht quasi eine riesige Lücke in unseren Beobachtungsdaten, die es uns erschwert, die Auswirkungen des Klimawandels auf die Ozeane oder die Ursachen von Geogefahren besser zu verstehen“, sagt Charlotte Krawczyk. Sie ist Direktorin des GFZ-Departments Geophysik, leitet die Sektion „Geophysikalische Abbildung des Untergrunds“ und hat das Projekt initiiert und maßgeblich mit vorangetrieben. Krawczyk: „Diese Lücke wollen wir mit SAFAtor schließen.“

So funktioniert SAFAtor

SAFAtor steht für „SMART Cables And Fiber-optic Sensing Amphibious Demonstrator“, auf Deutsch in etwa: ein amphibischer, SMARTer Kabel- und Glasfaser-Sensor-Demonstrator. Die Projektpartner GFZ und GEOMAR wollen in den nächsten fünf Jahren ein unterseeisches Telekommunikationskabel mit spezieller Sensortechnologie ausstatten. Hierfür werden vor dem Verlegen rund 40 Sensorstationen in etwa 20 bis 30 Kilometer Abstand am Kabel angebracht. Sie sollen kontinuierlich Echtzeitdaten zu Temperatur, Druck und Bodenbewegung liefern. Dabei muss demonstriert werden, dass der Telekommunikationsverkehr nicht gestört wird. 

Solche, mit intelligenter Sensortechnik ausgestatteten Glasfaser-Kabel werden auch als SMART (Science Monitoring and Reliable Telecommunications / Wissenschaftliche Überwachung und zuverlässige Telekommunikation) bezeichnet.

„Telekommunikationskabel verlaufen quer durch die Ozeane und müssen alle 25 Jahre erneuert werden. Wenn hierfür dann SMART-Kabel eingesetzt werden, haben wir die Möglichkeit, eine einfache und vergleichsweise kostengünstige Sensorabdeckung des Ozeanbodens und der Küstengebiete zu erreichen“, sagt Fabrice Cotton, der das gesamte Projekt als Topic-Sprecher der Helmholtz-Gemeinschaft zum Thema Geogefahren koordiniert. „Die Konzeption des Projekts war eine großartige Teamarbeit, an der Forscher verschiedener Disziplinen und unterschiedlichen Alters beteiligt waren. Die europäische und internationale Integration dieses Projekts wurde von Anfang an berücksichtigt, und das Projekt wird von etwa zwanzig internationalen Organisationen unterstützt“, ergänzt Cotton. Er leitet überdies das europäische GeoINQUIRE-Projekt, das die ersten Entwicklungen zur Verbreitung dieser neuartigen Daten in der wissenschaftlichen Gemeinschaft initiiert hat. 

Abdeckung von Tiefsee und küstennahen Bereichen

Wo das für SAFAtor genutzte Kabel liegen soll, steht noch nicht fest. Zurzeit werden weltweit mögliche Regionen dafür erkundet, etwa im Mittelmeer, in der Arktis oder vor Neuseeland. Das SAFAtor-Kabel kann dann als Blaupause für zukünftige Projekte dienen und so internationale Initiativen, die dieses Messsystem an weiteren Kabeln etablieren wollen, mit praktischen und wissenschaftlichen Erfahrungen voranbringen. 

Zusätzlich ist ein permanentes, küstennahes Monitoring an drei ausgesuchten Observatorien geplant: in der Nähe der seismisch aktiven nordanatolischen Verwerfungszone, die die Stadt Istanbul bedroht, am Ätna, einem der aktivsten europäischen Vulkane, und an der nordchilenischen Subduktionszone, wo regelmäßig starke Erdbeben auftreten. Für das küstennahe Monitoring wird das Prinzip der faseroptischen Messung verwendet, bei der das Kabel selbst als Sensor dient. Mit dieser Technik können die Lichtpulse in einzelnen Glasfasern genutzt werden, um selbst kleinste Bodenbewegungen zu messen, wie sie etwa durch Erdbebenwellen ausgelöst werden. 

Alle neugewonnenen Kabeldaten werden zentral gesammelt und zur Verfügung gestellt. Hierfür wird am GFZ ein Datendienst aufgebaut, der als Plattform für zukünftige Kabeldaten dienen soll. „Die Helmholtz-Gemeinschaft hat damit die einzigartige Gelegenheit, eine weltweit führende Rolle in der Entwicklung dieser kabelgebundenen Sensorsysteme und in der Verbreitung der neuen Beobachtungsdaten zu übernehmen“, sagt Frederik Tilmann, Co-PI vom GFZ. 

Neue Klima-, Ozean- und Geodaten

Die neuen Daten haben das Potential, unser Verständnis von Ozeanströmungen und von der Rolle der Ozeane im Klimawandel zu revolutionieren. Gleichzeitig werden sie eine herausragende Bedeutung für das Verständnis von Geogefahren wie Erdbeben, Tsunamis, Hangrutschungen, Vulkanausbrüche haben und Frühwarnzeiten bei Extremereignissen deutlich verkürzen. Neben diesen Kernanwendungen werden die Daten auch der Erforschung von marinen Ökosystemen dienen. 

Laura Wallace vom GEOMAR sagt: „Die Echzeitüberwachung der Vorgänge auf der Erde ist der Schlüssel zum Schutz der Gesellschaft vor Naturgefahren und den Auswirkungen des Klimawandels. Mit Hilfe von SAFAtor können wir hochauflösende Daten nicht nur für Erdbeben- und Tsunamistudien, sondern auch für die Ozeanografie und Klimawissenschaften bereitstellen, und zwar mit einer Infrastruktur mit minimalem ökologischem Fußabdruck.“

Expertise der beteiligten Helmholtz-Zentren

SAFAtor stützt sich auf die langjährigen Erfahrungen des GFZ im Betrieb globaler und regionaler Observatorien und im Forschungsdatenmanagement großer Datensätze. Die Forschenden am GFZ werden daher vor allem für den Ausbau der Observatorien im küstennahen Bereich verantwortlich sein, aber auch bei der Wahl und Ausstattung eines Demonstratorkabels mit SMART-Sensorik mitwirken. Das GFZ stellt außerdem die Infrastruktur, um die neu gewonnenen Daten zu prozessieren, zu archivieren und unter den FAIR Prinzipien zugänglich zu machen. Dabei steht FAIR für findable, accessible, interoperable und re-usable (zu Deutsch: auffindbar, zugänglich, kompatibel und nachnutzbar). Das GEOMAR mit seinem Knowhow in der Entwicklung submariner Technologien wird bei der Integration der nötigen SMART-Sensortechnologie in Tiefseekabel federführend sein. Die assoziierten Projektpartner – die Helmholtz-Zentren AWI und Hereon – stellen ihre Unterwasserinfrastruktur COSYNA in der Nähe von Helgoland für Entwicklungszwecke zur Verfügung. SAFAtor erfährt außerdem eine breite nationale und internationale Unterstützung durch wissenschaftliche Konsortien und Institute, Industrie und Netzwerkbetreiber.

 

Wissenschaftlicher Kontakt:

Prof. Dr. Fabrice Cotton
Leitung Sektion 2.6 Erdbebengefährdung und Dynamische Risiken
GFZ Helmholtz-Zentrum für Geoforschung
Tel.: +49 331 6264-1125
E-Mail: fabrice.cotton@gfz.de

Prof. Dr. Charlotte Krawczyk
Direktorin Department 2 Geophysik
Leitung Sektion 2.2 Geophysikalische Abbildung des Untergrunds
GFZ Helmholtz-Zentrum für Geoforschung
Tel.: +49 331 6264-1281
E-Mail: charlotte.krawczyk@gfz.de

Prof. Dr. Laura M. Wallace
FB 4: Dynamik des Ozeanbodens 
GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel
Tel.: +49 431 600-2241
E-Mail: lwallace@geomar.de

Topic 2: Ozeane und Kryosphäre im KlimawandelTopic 3: Ruhelose Erde │GFZ

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