Seismologische Parameter und Instrumentierung | SPIN
Die Theorie seismischer Wellen beruht weitgehend auf der Annahme einer linearen Elastizität. In weiten Teilen der Erde ist dies eine sehr nützliche Näherung. Die Spannungs-Dehnungs-Beziehung kann über das Dehnungsintervall der seismischen Wellen linearisiert werden. Unter bestimmten Bedingungen gibt es jedoch erhebliche Abweichungen von dieser Linearisierung, die Informationen über das Material enthalten, die dem herkömmlichen Ansatz nicht zugänglich sind. Die Entschlüsselung dieser Informationen eröffnet neue Perspektiven für die Untersuchung von Naturgefahren mit seismologischen Mitteln.
Heterogene Materialien der Erde bestehen aus kompetenten Teilen, die durch ein viel schwächeres Bindungssystem verbunden sind, das aber nur einen gering Volumenanteil einnimmt. Dies gilt für alle räumlichen Größenordnungen, von dem Unterschied zwischen Mineralen und deren Kontakten bis hin zu tektonischen Blöcken, die durch Verwerfungen getrennt sind. Der rheologische Unterschied zwischen diesen Bestandteilen führt zu einer Konzentration der Deformation im schwachen Teil des Materials, wodurch die Nichtlinearität des Gefüges im Vergleich zu den einzelnen Bestandteilen erheblich verstärkt wird. Diese Form der Nichtlinearität wird als nicht-klassische Nichtlinearität bezeichnet, die für alle heterogenen Materialien wie Gestein und granulare Materialien charakteristisch ist.
Die nichtklassische Nichtlinearität hat zwei Facetten. Auf der einen Seite beeinflusst sie die Ausbreitung elastischer Wellen aufgrund der Nichtlinearität der Spannungs-Dehnungs-Beziehung. Dieser Effekt wird als anomale schnelle Dynamik bezeichnet und führt beispielsweise zu amplitudenabhängigen Ausbreitungsgeschwindigkeiten und Dämpfungen. Er verändert die Wellenformen der seismischen Signale. Auf der anderen Seite resultiert das nichtlineare Verhalten aus einer internen Schädigung des Bindungssystems, die sich über Zeitskalen erholt, die weit langsamer sind als die Wellenausbreitung (langsame Dynamik). Diese Schädigung macht das Material weicher, was zu einer langfristigen Verringerung der seismischen Geschwindigkeit und einer allmählichen Erholung nach dem störenden Ereignissen führt. Vermutlich schwächt die innere Schädigung auch das Material, was weitreichende Folgen für Naturgefahren hat, die aus dem Versagen des Materials resultieren.
In dem Trainings Netzwerk SPIN werden neue seismologische Messmessmethoden mit der Untersuchung dieses exotischen Materialverhaltens kombiniert um Beobachtungstechniken zu verbessern und neue Ansätze für die Abschätzung von Naturgefahren zu entwickeln. Das Projekt am GFZ ist eine Kooperation mit der Sektion 4.2 Geomechanik und wissenschaftliches Bohren.

Laufzeit
- 2021 - 2025
Projektverantwortlich
- Christoph Sens-Schönfelder (GFZ)
Projektmitarbeiter
- Manuel Asnar (GFZ)
Zuwendungsgeber
- EC H2020-MSCA-ITN-2020
Kooperationspartner
- Universität Hamburg
Projektwebseite
Zuordnung (POF/MESI/GIPP)